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Tierhaltung zwischen Gesetz, Moral und Ethik

Der gemeinsame Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD, CDU/CSU, Bündnis 90 Die Grünen und der FDP (veröffentlicht in der Drucksache 14/8860) in der 14. Wahlperiode hatte folgendes zum Inhalt:

„Der Schutz des Tieres als Lebewesen ist in der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland noch immer unzulänglich. Die Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung soll dem Gebot eines sittlich verantworteten Umgangs des Menschen mit den Tieren Rechnung tragen. Die Leidens- und Empfindungsfähigkeit insbesondere von höher entwickelten Tieren sowie die inzwischen bekannt gewordenen Ergebnisse von Wissenschaft und Forschung, die selbst das Klonen von Tieren ermöglichen, erfordern dringend ein ethisches Mindestmaß für das menschliche Verhalten. Die einfach gesetzlichen Regelungen des Tierschutzgesetzes reichen dazu nicht aus. Für die gebotene Abwägung zwischen den Interessen der Tiernutzung und dem Anspruch der Tiere auf Schutz vor Leiden, Schäden oder Schmerzen ist es notwendig, die Rechtsebenen anzugleichen, das heißt, dem Tierschutz Verfassungsrang zu geben.“

Ich hebe hervor: Für die gebotene Abwägung zwischen den Interessen der Tiernutzung und dem Anspruch der Tiere auf Schutz vor Leiden, Schäden oder Schmerzen ist es notwendig, die Rechtsebenen anzugleichen, das heißt, dem Tierschutz Verfassungsrang zu geben.

Demgemäß heißt es in § 1 Tierschutzgesetz:

„Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“

Unser Grundgesetz erkennt also ein Eigeninteresse der Tiere an Unversehrtheit und Leben an, daraus resultiert die Anerkennung des Verfassungsranges des Tierschutzes als Staatsziel, und unser Tierschutzgesetz.

Aus Satz 2 des ersten Paragrafen leitet sich ein klares Verbot ab. Dass keine Sanktionen erwähnt werden, spielt hier keine Rolle (Lorz/Metzger, 7. Auflage, 2019)

Wir Menschen sind in unserem Handeln, in der Wahl unserer Nahrungsmittel, in der Art wie wir uns kleiden, stets darum bemüht, unversehrt und gesund bleiben. Wenn wir krank sind oder Schmerzen verspüren gehen wir zum Arzt, tragen unsere Beschwerden vor und lassen uns Behandeln. Alles aus dem Eigeninteresse heraus, unversehrt und gesund zu bleiben. Niemand wird es jemals wagen, diese Handlungen und unser Eigeninteresse in Frage zu stellen.

So weit, so richtig.

Was aber ist mit den Tieren, die mit uns leben (müssen)? Die haben zwar auch ein Eigeninteresse, sind aber nicht imstande, dies auch durchzusetzen.

Deshalb sagt Satz 1 des ersten Paragrafen des TierSchG auch deutlich:

„Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen.“

Wir also entscheiden, ob es zum Arzt gebracht wird, wir entscheiden, was es essen soll, wir entscheiden quasi über Freud und Leid und finden das ganz normal.

Wir halten auch den Anspruch an Tierhaltung für ganz normal. Egal, wie wenig tiergerecht eine Haltung von Tieren auch ist, für uns ist der Anspruch ein Tier oder mehrere Tiere zu unserem Nutzen zu halten normal und nicht infrage zu stellen. Ganz besonders deutlich wird das bei der Nutztierhaltung, denn der Gesetzgeber lässt bei der Nutztierhaltung bedeutend mehr Spielraum, als das bei Heimtieren der Fall ist.

Und nur langsam bewegt sich Deutschland hier. Aus gesetzgeberischer Sicht, aber auch gesellschaftlich.

In den sozialen Medien werden Tiere verhökert wie geschnitten Brot, ebenso in den Online-Kleinanzeigenportalen, wie Ebay, Quoka und viele mehr. Zum Teil gleichgültig, nach dem Motto „Hauptsache weg“ werden die Tiere für Bares an den nächsten Besten verkauft, ohne Gespräche mit dem Interessenten. Es gibt natürlich auch die seriösen Verkäufer, die genauer hinsehen, aber im großen Ganzen findet weder Beratung statt, noch gibt es Hinweise zur Tierhaltung. Oft hat der Verkäufer selbst überhaupt keine Ahnung.

In den sozialen Medien zeigt sich leider immer wieder, wie ahnungslos und unüberlegt sich Menschen Tiere anschaffen und sich dann noch beschweren, wenn das Tier nicht so funktioniert, wie der Mensch sich das so vorstellt. Und wehe man sagt dann etwas dazu, dann bricht ein Shitstorm über einen herein, das kann man sich nicht ausdenken. Besserwisser, Klugscheißer sind dann noch die niedlichen Bezeichnungen, es geht auch viel böser.

Nun, ich lasse das an mir abprallen.

Aber wie war das noch mal mit dem Eigeninteresse der Tiere?

Unser Tierschutzgesetz ist in mancher Hinsicht fortschrittlicher als der Durchschnittsdeutsche.

Ganz aus der Verantwortung mag ich die Bundesregierung nicht nehmen. Sie hat es nämlich versäumt, Grundlagen und Möglichkeiten zu schaffen und zur Verfügung zu stellen, dass so etwas wie das erarbeiten von Sachkunde auch möglich ist. Bis jetzt fehlt die einheitliche Grundlage, obwohl es das tatsächlich schon gibt, jedoch ist das alles nicht bis nur wenig bekannt. Und schon gar nicht erwähnt durch den Gesetzgeber. So hat der Gesetzgeber nicht dafür gesorgt, dass die in § 2 erwähnte Pflicht zur Erlangung von Sachkunde überhaupt erfüllt werden kann, obwohl das Substantiv „muss“ ein Erfordernis ist, etwas ist, was nicht verhandelbar ist.

Und um bei den Katzen zu bleiben,

  • Es ist nicht egal, ob wir die Katze, oder den Kater, kastrieren lassen oder nicht
  • Es ist nicht egal, was wir füttern und schon gar nicht ist es unsere Privatsache
  • Es ist nicht in Ordnung, in Katzenforen oder auf Facebook zu fragen, ob man zum Tierarzt gehen soll, oder ob man noch warten kann!

Wir erinnern uns? „Niemand darf (…) einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“. Es ist durchaus möglich, eine Straftat durch Unterlassen zu begehen. Einer Strafe gemäß § 13 StGB entgeht man nur dann, wenn das eigene Leben in Gefahr gerät. Die Judikative hat erheblichen Nachholbedarf.

Bis jetzt habe ich nur von wenigen Beschlagnahmungen durch Veterinärämter gehört, die Tiere beschlagnahmt haben und ein Tierhalteverbot ausgesprochen haben, wenn Tierhalter mit ihren kranken Tieren nicht zum Tierarzt gegangen sind.

Dabei geht es nicht nur um Schmerzen. Der Begriff Leiden z.B., umfasst alles das, was der Begriff Schmerzen nicht abdeckt und das Wohlbefinden empfindlich stört. Und es geht auch nicht nur um die unkastrierte Katze mit Pyometra, oder die Katze, die unsauber geworden ist, weil sie falsch gehalten wird. Es geht auch um das Züchten und Vermehren mit Gendefekten, das Verändern der Physiognomie durch Zuchtselektion zum Nachteil der Katze.

Dabei ist es egal, ob die Katze ein plattes Gesicht hat, Faltohren, kurze Beine oder keine Schnurrhaare besitzt. Das alles ist Leiden, bei den Faltohren sogar ein Leben mit starken Schmerzen. Wir müssen weg von den Gedanken, dass wir unüberlegt, der Optik und Schönheit wegen, Lebewesen erschaffen, die unter unserem Schönheitsverständnis zu leiden haben.

Wenn wir dem Eigeninteresse der Tiere, die mit uns leben, Rechnung tragen wollen, dann müssen wir uns mit den Bedürfnissen der Tiere vertraut machen. Und nicht nur, soweit es uns gefällt.

Wer das nicht mag, sollte sich lieber ein Stofftier kaufen.

• Die Katzenseite •

© Angelika Rimbach

Über Angelika

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